Dülmens Klimabilanz - Check

Klimaschutzkonzept der Stadt Dülmen - Kritische Auseinandersetzung mit der Beschlussvorlage und der zugehörigen Präsentation durch die "Energielenker"

Im Offenen Brief hatten wir im September u. a. folgende Forderung an die Stadt gestellt:


"1. Spätestens bis zum 31.12.2020 soll ein aktualisierter Bericht zur Energie- und Treibhausgas Bilanz für Dülmen veröffentlicht werden. Dieser soll den Ist-Zustand beschreiben und als Grundlage  für die Planung und Umsetzungsüberwachung der Reduktion der Treibhausgasemissionen dienen."


Am 24.02.21 war es dann so weit. Im Umweltausschuss wurde die aktuelle Klimabilanz und eine dazugehörige Beschlussvorlage vorgestellt.


Unsere DüNaMis Mechthild Neuhaus-Overbeck und Arkadiusz Frydyada de Piotrowski haben sich, bevor der Umweltausschuss am 24.02.21 tagte, kritisch mit der "Öffentlichen Beschlussvorlage und zugehöriger Präsentation zur aktuellen Fortschreibung des Klimakonzepts für die Stadt Dülmen am 24.02.2021" auseinandergesetzt. Für die Fortschreibung des Klimaschutzkonzepts wurde von der Stadt die Firma "Energielenker" beauftragt.


Die Präsentation der "Energielenker", worauf wir uns im Nachfolgenden beziehen, findet ihr in der Öffentlichen Beschlussvorlage.

Diese Beschlussvorlage war/ist für alle Dülmener*innen auf der Homepage der Stadt einsehbar. Link: 

Öffentliche Beschlussvorlage -Tagesordnungspunkt Fortschreibung des Klimakonzepts für die Stadt Dülmen


Im Folgenden stellen wir hier einige Punkte der kritischen Auseinandersetzung vor. Unsere vollständige Auseinandersetzung findet ihr  unter diesem Link:

Anmerkungen und Fragen zur Öffentlichen Beschlussvorlage


Dieses Dokument haben wir einen Tag vor der Sitzung an die Mitglieder des Umweltausschusses, an den Bürgermeister sowie an die  Klimaschutzmanager*innen geschickt.

Grundsätzliches (aus unserer Sicht):

Woraus besteht die  kommunale CO2- Bilanz und wie berechnet sie sich?

Die kommunale CO2-Bilanz gibt an, wie viele Tonnen Kohlendioxid in einer Kommune durchschnittlich pro Einwohner innerhalb eines Jahres (t/E/a) durch Energieverbrauch emittiert werden (konkrete Angaben, z.B. der Energieverbrauch in den kommunalen Liegenschaften, der Strom- und Erdgasverbrauch der Einwohner und des Gewerbes oder die Kfz-Dichte...). Aus der Addition dieser Daten ergibt sich die in einer Kommune emittierte Gesamtmenge CO2 pro Jahr.

Welchen Zweck und welches Ziel hat diese Bilanzierung?

Die CO2-Bilanzierung der Kommune 


  • dient der Identifikation klimarelevanter Bereiche in der Kommune und ist damit Ansatzpunkt zur Planung von Maßnahmen für den Klimaschutz und
  • ist Kontrollinstrument zur Zielerreichung von Klimaschutzmaßnahmen


Die CO2-Bilanzen werden erstellt, wenn eine Förderung von Klimaschutzkonzepten in Anspruch genommen wird, auch sinnvoll bei der Teilnahme (Dülmen!) am European Energy Award (europäisches Gütezertifikat für die Nachhaltigkeit der Energie- und Klimaschutzpolitik von Gemeinden).


Kritische Auseinandersetzung mit den Präsentationsfolien

1. Punkt: Pfeile in den Präsentationsfolien


Diese Art der Darstellung durch Pfeile ist immer willkürlich - und manipulativ und absolut

inakzeptabel aus mehreren Gründen.


a) Es kommt darauf an, wo man den Pfeil beginnen lässt. Hätte man 2014 als Basisjahr genommen, hätten die Pfeile auf allen Folien nach oben gewiesen.


b) Zudem suggerieren die Pfeile eine lineare Entwicklung, die es sichtbar nicht gibt. Die

suggerierte Reduktion ist statistisch nicht haltbar.

c) Die Pfeile werden nur gezeigt, wo es positiv aussieht. Beim Endenergieverbrauch der Kommune auf Folie 8 fehlt der Pfeil. 


Dieser würde offensichtlich nach oben zeigen. Die

Nutzung von Pfeilen ist grundsätzlich manipulativ. Das wirkt auf jeden Fall so, wenn nur positive Ergebnisse damit versehen werden.


Im Übrigen zeigt die Folie 8 eindeutig, dass die Kommune ihrer Vorbildfunktion noch nicht nachgekommen ist. Es zeigt sich hier aber das größte Verbesserungspotential: Ersatz von Erdgas durch erneuerbare Energien.

2. Punkt: Inhaltliche Auseinandersetzung mit den Präsentationsfolien


In der öffentlichen Beschlussvorlage steht:

„Die THG-Emissionen pro Einwohner sind von 2010 von 9,3 t pro Einwohner auf 8,8 t pro Einwohner in 2018 und somit um 5,9% gesunken.“

Ohne die zugehörigen Datenreihen entsteht so ein positives Bild für Dülmen im Sinne des Klimaschutzes.


Ganz davon abgesehen davon, dass diese im kleinen einstelligen Bereich absolut unzureichend sind (Klimaneutralität in 2190?), wäre wichtig zu erfahren, durch welche konkreten Maßnahmen diese denn zustande gekommen sind oder ob diese größtenteils durch Umweltfaktoren erklärt werden können, ohne dass kommunale Maßnahmen Einfluss hatten.


Auf Folie 10 ist die tatsächliche Entwicklung zu sehen, die seit 2014 stagniert.

Beim Vergleich zum auf der gleichen Folie unten zu sehenden Bundesdurchschnitt erfährt man, dass bundesweit die Pro Kopf-Emissionen von 11,56t auf 10,63t gesunken sind, also um 8,1%. Das ist eine um 37% höhere Reduktion als in Dülmen. 


Auch hier war Dülmen offensichtlich eine Klimaschutzbremse in den letzten 10 Jahren. Die Zahlen zeigen also ein deutlich anderes Bild, als hier durch die Darstellung suggeriert wird.

3.) Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass nur punktuell Vergleiche gezogen werden. 


Soll hier ein positives Bild von Dülmens Entwicklungen gezeichnet werden? 


Hierzu mehrere Beispiele:

a) Auf Folie 10 wird ein Vergleich zum Bundesdurchschnitt gezogen. Wie im vorherigen Abschnitt gezeigt, liegt Dülmen aber hinter dem Bundestrend.


Eine viel wichtigere Frage ist, wie ein Unterschied von ca. 2t/Kopf (über 20%) zustande kommt?

Laut der Folie ist die Quelle das Statistikportal7, dieses nennt das Umweltbundesamt als Quelle: “Quelle der Deutschlandwerte: Umweltbundesamt, Nationale Trendtabellen, Stand Januar 2020, inklusive diffuse CO2 Emissionen aus Brennstoffen und der Landwirtschaft.” 


Zu beachten ist das Wort “inklusive”.

Werden hier demnach die Emissionen nach Bisko-Methode (ohne 16% nicht-energiebedingter Emissionen) mit den bundesweiten Emissionen verglichen, die diese 16% beinhalten? Die Differenz von 2t/Kopf wäre damit erklärt. Wir hoffen jedoch, dass es dafür eine andere Erklärung gibt, da dies ansonsten ein skandalöser Vergleich von Äpfeln-mit-Birnen wäre.

b) Da an mehreren Stellen der Präsentation Bezug genommen wird auf Daten des Umweltbundesamtes zum Bundesdurchschnitt, sollte dies der Einheitlichkeit halber auch an jeder Stelle gemacht werden. 


Beispiel:

Schaut man sich die Entwicklung der THG-Emissionen in Deutschland an, gab es in 2010 942.338.000 t THG, in 2018 waren es 858.369.000 t, eine Reduktion von 83.969.000 t.

Dies entspricht einer Reduktion von 8,9%. Der Rest Deutschlands hat im Mittel demnach

seine Emissionen um 43,54% stärker reduziert als Dülmen.


 Kann Dülmen demnach als

Klimaschutzbremse gesehen werden?

4. Weiterhin werden einzelne Aspekte hervorgehoben, die positiv erscheinen, negative Aspekte werden jedoch nicht erwähnt. Z.B. „Der Anteil von eingespeisten Strom aus erneuerbaren Energiequellen (Photovoltaik, Windkraft und Biogas) am Gesamtstromverbrauch ist von ca. 9% in 2010 auf rund 30% in 2019 angestiegen.“


Hinweis: auf Folie 11 steht 38% und nicht 30%!


Wie auf Folie 11 zu sehen ist, stagniert die EEG-Einspeisung seit 2015.

Wie aus Folie 12 hervorgeht, ist bundesweit jedoch ein Trend nach oben deutlich erkennbar (wenn auch viel zu langsam für die Pariser Ziele). 

Das bedeutet, dass Dülmen auch an dieser Stelle eine Bremse ist. 


Auch ist zu sehen, dass der EEG-Anteil am Strom in Deutschland bei 42,1% lag. Woher der Verfasser seinen Enthusiasmus mit „gut 38%“ (Folie 11) zieht, lässt sich zumindest aus den vorgelegten Zahlen nicht ableiten. (Anmerkung: Nach der Präsentation im Umweltausschuss erklärte der Verfasser, dass mit "gut 38 %" "rund 38 %" gemeint sei.)


Zu beachten ist hierbei, dass Dülmen als ländliches Gebiet mit vielen freien Flächen und Dächern hervorragend geeignet ist, um Solar- und Windenergie zu nutzen und natürlich wird in Zukunft die Aufgabe zu übernehmen sein, auch die städtischen Gebiete, die solche Voraussetzungen nicht mitbringen, mitversorgen zu müssen. Der EEG-Anteil in Dülmen wird also bei Bundesdeutscher Klimaneutralität deutlich über 100% liegen müssen, vielleicht sogar ein Vielfaches der selbst verbrauchten Energie.

Positiv zu erwähnen ist der ehrliche Vergleich auf den Folien 13 und 14 (nachfolgende Folien) beim Anteil erneuerbarer Energien im Wärmesektor, hier ist Dülmen um mehr als Faktor 3 schlechter aufgestellt als der ohnehin schon katastrophal kleine Anteil von 15% im Bundesdurchschnitt. Deutlich ist zu sehen, dass Potentiale der saubersten Energiequellen Umwelt- und Sonnenwärme nur marginal genutzt werden.

In der Beschlussvorlage wird diese Tatsache nicht erwähnt. Überhaupt ist kein kritischer Satz zur Klimabilanz Dülmens in dieser zu finden, nur einige ausgesuchte scheinbar positive Entwicklungen werden genannt.

Detailanalysen kann man an verschiedenen weiteren Stellen durchführen. (Anmerkungen: In unserer Kritischen Auseinandersetzung an die Mitglieder des Umweltausschusses, des Bürgermeisters und die Klimaschutzmanagerinnen sind weiter Punkte aufgelistet worden.)


Man sollte Ziel und Zweck einer solchen Bilanz nicht aus den Augen verlieren:

Was sind die konkreten aus der Bilanz ableitbaren Potentiale?

Welche Handlungsfelder im Klimaschutz sind zu identifizieren und welche konkreten Maßnahmen zu planen?



● Es können in der vorliegenden Bilanz Bereiche identifiziert werden, in denen man Veränderungsmöglichkeiten sieht und nach entsprechenden Maßnahmen (mit den gleichen Tools) den Erfolg messen kann.


● Es bieten sich unserer Meinung nach folgende Bereiche vorrangig an:

  • Verkehr (u.a. der Lieferverkehr, E-Mobilität, Ladesäulen - nicht die kommunale Flotte, die nur marginale Beiträge liefert),
  • Der Ausbau der regenerativen Energien (Photovoltaik, Windenergie (Bürgerwindräder? Wie z. B. LetterWind?) und Umweltenergie (Wärmepumpen, Geothermie)
  • Der Bereich Haushalt ist wichtig (Förderung energiesparender Maßnahmen, Geräte, Wärmeisolation von Häusern)
  • Die Industrie vor Ort?
  • Darüber hinaus muss man über die Landwirtschaft ins Gespräch kommen.


Nicht unberücksichtigt werden sollten die möglichen „Absenkung" für den Bereich CO2 durch Aufforstung, bessere Anbaumethoden in der Landwirtschaft. Das ist für unsere Flächengemeinde sicher auch wichtig. Da gibt es dann Verbindungen zum Flächenverbrauch (Hausbau, Industrie).

Schlusswort

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Dülmen im Klimaschutz im Bundesvergleich sehr viel Nachholbedarf hat und drastisch ambitionierter in die Umsetzung kommen muss. Zudem muss die Stadt nun ehrlich und unparteiisch Daten und Fakten analysieren und kommunizieren. Die Klimabilanz muss auch um die fehlenden Sektoren (Land- und Forstwirtschaft, Abfall, Abwasser, privater Konsum) erweitert werden, wie sollen sonst in diesen Bereichen nachvollziehbare Emissionsreduktionen umgesetzt werden?


Klimaschutz fordern nicht einzelne Interessengruppen oder Gesellschaftsschichten. Niemand kann sich der naturwissenschaftlich begründeten Notwendigkeit von Veränderungen entziehen. Es geht um das Überleben der meisten Arten, unserer Werte, unserer Wirtschaft, der Sicherheit, der Demokratie, der gesamten Menschheit. Es geht um alles, was uns wichtig ist.


Statistische Ergebnisse müssen frei von Selbsttäuschung und Manipulation analysiert werden, Potentiale erkannt und Maßnahmen beschlossen werden. Deshalb brauchen wir Dülmener Bürgerinnen und Bürger eine vollständige Klimabilanz auch über die nicht betrachteten Sektoren und ein Monitoring, das sich nur an einem Ziel orientiert: netto null-Emissionen über alle Lebensbereiche spätestens bis 2030.


Denn wie sehr wir mit den Zahlen auch jonglieren und damit Zeit verstreichen lassen, die Naturgesetze werden wir damit nicht außer Kraft setzen. Und wenn wir den Klimawandel nicht aufhalten werden, werden uns genau diese Naturgesetze mit unerbittlicher Wucht und unermesslichem Leid mit den Konsequenzen solch kurzsichtigen Handels konfrontieren.

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